Archiv der Menschheitsgeschichte
Die prähistorischen Pfahlbauten um die Alpen sind durch die guten Erhaltungsbedingungen von Fundmaterial eine einzigartiges Quelle der Information über die ersten Siedler:innen im Alpenraum.
Die Archäologie beschäftigt sich mit den Hinterlassenschaften des Menschen. Jede Besiedelung hinterlässt Spuren, die heute je nach Bodenbeschaffenheit besser oder schlechter erhalten sind. In feuchten Gebieten wie Mooren, Uferbereichen, Seen, Flüssen und Meeren sind die Erhaltungsbedingungen sehr gut. Durch den Luftabschluss kommt es zu keiner Verwitterung des organischen Materials (Holz, Textilien, Lebensmittelreste,...). Wo Pfosten eines urgeschichtlichen Hauses an Landgrabungen nur mehr schemenhaft als Bodenverfärbungen zu erkennen sind, ragen unter Wasser noch ganze Holzpfähle aus dem Untergrund. Solche außerordentlichen Voraussetzungen sind selten und ermöglichen der Archäologie Schlüsselinformationen über das Leben vor 6000 Jahren zu gewinnen. Das macht die prähistorischen Pfahlbauten zu wichtigen Zeugnissen der ersten Besiedelung im Alpenraum, ein Grund, warum eine Auswahl von 111 der über 1000 Fundstellen in ganz Europa zum UNESCO-Welterbe erklärt wurde.
Fundstücke aus den österreichischen Pfahlbauten
Die Erhaltung unter Wasser liefert der Forschung spannende Einblicke in das Leben der Urgeschichte.
Häufige Fragen zu den Fundstücken
Immer wieder kommt es vor, dass durch Zufall archäologische Funde gemacht werden. Solche Auffindungen haben durchaus auch zur Entdeckung neuer Fundstellen beigetragen. Besonders an Seeufern mit Unterwasser Fundstellen werden immer wieder Objekte angespült und können beim Baden oder Spazieren gefunden werden. Ein Fund, egal aus welcher Zeit, kann zur Erforschung der regionalen Geschichte beitragen. Darum gilt in Österreich die Meldepflicht archäologischer Funde. Meldungen können beim österreichischen Bundesdenkmalamt (archaeo@bda.gv.at), bei der Polizei oder der Bezirksverwaltungsbehörde gemacht werden. Auch unser Team freut sich über Auskünfte zu eigenen Beobachtungen, besonders im Bereich von Seeufern und Flüssen und kann bei einer Fundmeldung unterstützen.
Archäologische Funde aus Mooren und Seen brauchen eine spezielle Behandlung, wenn sie aus dem Boden genommen werden. Bis zu 6000 Jahre lang haben sich die Überreste der Pfahlbausiedlungen im Seeboden erhalten. Werden die Objekte ausgegraben ändern sich die Umgebungsbedingungen, wie Temperatur, Sauerstoff, Feuchtigkeit, Mikroorganismen und dergleichen. Das kann starke Auswirkungen auf die Objekte haben und deren Verfall rapide beschleunigen. Dabei kommt es stark darauf an um welches Material es sich handelt. Steinobjekte und Keramik sind von den Umgebungsänderungen kaum betroffen. Bei organischen Überresten wie Holz, Textilien, Knochen, oder Pflanzenresten ist das anders. Trocknen sie aus, wird das Material spröde, bekommt Risse und die Objekte können sich bis zur Unkenntlichkeit verformen.
Darum werden alle Funde, die geborgen werden müssen, von Konservator:innen gereinigt und speziell behandelt. Sensible Materialien lagern in Kühlgeräten bei konstanten 6° C unter feuchten und dunklen Bedingungen, ähnlich wie unter Wasser. Besondere Stücke werden von Konservator*innen bearbeitet und zum Teil restauriert, um sie für zukünftige Ausstellungen nutzen zu können.
Archäologische Arbeiten unter Wasser werden gerne im Frühjahr oder Herbst gemacht, wenn das Wasser noch kalt ist und die Algenblüte das Wasser noch nicht trübt. Bei klarem Wasser gelingen Vermessungsarbeiten und Fotodokumentationen im Allgemeinen besser. Bei Wassertemperaturen zwischen 4 und 15° C benötigt die Grabungsmannschaft deshalb Trockentauchanzüge. Die Taucher:innen arbeiten in der Regel drei Stunden pro Tag unter Wasser. Den Rest des Tages wird an Land das Fundmaterial versorgt und die unter Wasser durchgeführten Arbeitsschritte, Vermessungen und Beschreibungen der abgetragenen Bodensedimente im Computer eingetragen.
Die Archäolog:innen graben im Seeboden mit einer Kelle oder ihren Händen. Je nach Beschaffenheit des Sediments lässt es sich entweder leicht mit der Hand aufwirbeln oder es muss mit der Kelle in Blöcken abgestochen werden. Das abgetragene Sediment wird mit einer „Water dredge“ (eine Art Unterwasserstaubsauger) eingesaugt und in einem Netz aufgefangen. Besondere Funde werden unter Wasser von den Taucher*innen eingemessen und extra verpackt. Bei der Vermessung unterstützt die Archäolog*innen ein Messrahmen, der die Grabungsfläche in 1x1 Meter Quadranten unterteilt. Jeder Bereich hat seine eigene Nummer. Jeder Fund, jede Probe und jedes Fangnetz muss mit diesen Nummern gekennzeichnet werden, um sie später verorten zu können.
Das Aushubmaterial kommt in den Fangnetzen mit an die Oberfläche und wird an Land fein säuberlich durchgespült und ausgesiebt. Mit dieser Methode lassen sich auch die kleinsten Objekte, wie Fischschuppen, Kalksteinperlen und Apfelkerne finden. Durch die Benummerung können die Funde bestimmten Bereichen im Grabungsschnitt und Schichtpaketen zugeordnet werden. In der Regel gilt, je weiter unter im Boden die Objekte liegen, desto älter sind sie. Mit dieser Methode können Archäolog:innen verschiedene Phasen und Entwicklungsstufen einer Seeufersiedlung aus der Urgeschichte bestimmen.